unburied reburied

Lynda Benglis, Hansjörg Dobliar, Wade Guyton, Werner Herzog, Imi Knoebel, Christian Kobald, Svenja Kreh, Robert Longo, Elias Merhige, Friedrich Wilhelm Murnau, Anselm Reyle, Markus Selg, Katja Strunz, Gert und Uwe Tobias, Jens Wolf, Birthe Zimmermann, Elmar Zimmermann, Heimo Zobernig

Äußerliche Kategorien haben für die Feststellung von Bedeutsamkeit gerade von junger und jüngster Kunst wieder enorm an Bedeutung zugelegt. Die Einordnung über Medium oder Format spielt dabei eine ebenso große Rolle wie eine leichte Verortbarkeit etwa mit Hilfe von Herkunft, Galeriezugehörigkeit oder über Szenezusammenhänge. Solche Kategorien entscheiden neben der Vermarktbarkeit von Kunst als diskursiver wie ökonomischer Ware zugleich über Erfolg und Qualität eines künstlerischen Entwurfs und dessen Wirkungsradius.

Dass zwischen vor allem sich selbst befeuernden Konstellationen wie Markt und Museum oder Prestige und Event, Kunstsammlern und -verwaltern, Atelier und Medialisierung oder Schöpfern und Entrepreneurs eine beunruhigende Tendenz zur Verdinglichung stattfindet, ist so wenig verwunderlich wie die neokonservativen Rufe nach Konkretion und begrifflich-griffiger Eindeutigkeit. Gerade, wenn sich dazu gleichzeitig die ständigen Prophezeiungen eines Endes der Kunst mit den hoffnungsvollen Beschwörungen des wieder einmal ganz Neuen, Abgesang und Werbe-Jingle mischen: Soundtrack zur vermarkteten Restauration.

Die Ausstellung unburied/reburied verhält sich innerhalb dieses Klimas kritisch-affirmativ. Sie bezieht einerseits Stellung für aktuelle, junge künstlerische Ansätze, die mittels „Retro-Mechanismen“ Sichtbarkeit und Bedeutung herstellen. Zum anderen gibt die Einbeziehung bereits historisch signifikant gewordener künstlerischer Entwürfe (mit Arbeiten von Lynda Benglis, Imi Knoebel, Robert Longo, Heimo Zobernig) einen Blickpunkt vor, von dem aus ästhetische Verfahren und thematische Setzungen gerade auch in ihrer Bedingtheit wieder sichtbar werden.

unburied/reburied ist der zweite Teil eines viel beachteten Ausstellungsprojekts, das von der Gruppenschau dead/undead (GalerieSixFriedrichLisaUngar, München, 15. April – 17. Juni 2005) eingeleitet wurde. Dabei stand die Feststellung von „Retro-Mechanismen“ samt deren zeitlicher Situiertheit im Vordergrund. Mit veränderter Künstlerliste und angepasster Werkauswahl verlagert die Ausstellung im Nürnberger kunstbunker e. V. die Perspektive.

unburied/reburied fragt am Beispiel von Aneignungsprozessen ganz allgemein nach dem Material der Kunst, erkundet die Überlebenstechniken der Untoten trägt dabei die Fetische Authentizität und Original als falsche Versprechen zu Grabe.

Kuratiert von Hans-Jürgen Hafner.

Blauer Himmel, Weiße Decke – James Benning: 10 skies

Blaue Nacht, 07.05.05

Die Konzeption im Kunstbunker Nürnberg e.V. ist in zwei miteinander korrespondierenden Ausstellungsbereichen aufgeteilt. Eine Raum zeigt eine Videoprojektion mit sich in kurzen Zyklen wiederholenden Aufnahmen eines Werbeshootings vor der noch sichtbaren BlueBox. Er erfüllt die Funktion eines Vorzimmers, das eine kurze Verweildauer provoziert.
Ein weiterer Bereich ist ein zum Kino umgestalteter , abgetrennten Bereich des Kunstbunkers . Dieses „Hinterzimmer“ kann nur dann betreten werden wenn sich der Besucher für eine der zwei Vorstellungen von James Bennings „Ten skies“ entscheidet und bereit ist sich die Zeit zu nehmen, den ca. 100 minütigen Film, der „nur“ 10 Einstellungen unterschiedlicher Himmel zeigt ganz anzusehen. Exklusivität und die Hochwertigkeit des Filmes und der Vorführsitutation spielen dabei eine entscheidende Rolle. „Blauer Himmel, weiße Decke“ thematisiert jenseits von formalen Bezügen zwischen beiden Arbeiten unterschiedliche Betrachungssituationen von Kunst und macht sie zur zentralen Fragestellung für die Blaue Nacht.

Kuratiert von Hermann Gabler und Wolfgang Obermair.

Holger Bunk

zu meinen Arbeiten

Als Entwürfe für meine Bilder aber auch als eigenwertige Skizze halte ich meine Bildvorstellungen in Zeichnungen fest. Der Zeichenstrich erschafft die Wirklichkeit der Dinge und entzieht ihnen die Wirklichkeit dadurch, daß Dinge, die eigentlich nicht sein können in dieser Kunstrealität sichtbar werden. Es geht also schon im Entwurf um Auffächerung und Staffelung verschiedener Wirklichkeiten.
Die Auswahl meiner Bildmotive entspricht einer solchen Auffächerung von Realitätsgraden: Wenn ich eine triviale Vorlage abmale, bleibt die Trivialität des Motivs erhalten, die Malerei ist aber eine andere Sache. Die Dissonanz zwischen dem Trivialmotiv und meiner verhältnismäßig aufwendigen Malerei verunsichert die (ansonsten) gängige Geringachtung des Trivialen.
Mir gefällt es, daß das Banale, Irrgläubige, Fehlerhafte so zumindest wieder ein offeneres, (weniger stark moralisch bewertetes) Verhältnis zum Komplizierten, Differenzierten, Logischen bekommt, und daß die Angst vor dem schlechten Geschmack überwunden wird.
Der James-Dean-hafte Fotoheld und der hl. Sebastian (für mich ist z.B. Sebastian nicht nur ein christlicher Märtyrer, sondern der Martyrer der perspektivischen Malerei = von Bicken wie von Pfeilen durchbohrt fallen in meinem Bild in eins zusammen. Sie kommen nicht mehr aus verschiedenen Welten, die sich nichts zu sagen haben.
Für mich als Maler geht der Versuch, die Bildgegenstände in Kommunikation zu bringen bis in die Mittel der Maltechnik: Grisallle-Untermalung liegt offen neben Ölfarbe, Primamalerei neben Lasur, Ich versuche nicht nur die Bildmotive, sondern auch die Eigenschaften der Bildmittel für sich bestehen und doch aneinander teilhaben zu lassen.
Holger Bunk, Juni 82

Kuratiert von Hermann Gabler.

Sergey Bratkov: Menschen im Bunker

Mit seiner Schau „Menschen im Bunker“ wird der russische Künstler Sergey Bratkov einen zugleich umfassenden und detaillierten Einblick in sein breit angelegtes Werk bieten. Wie der Titel der Ausstellung bereits nahe legt, reagiert Bratkov dabei spezifisch auf die besonderen Gegebenheiten des Ausstellungsortes kunstbunker.

Sergey Bratkov wurde 1960 in Charkov (Ukraine) geboren. Sein Werdegang und seine künstlerische Entwicklung wurden deutlich geprägt von den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Osteuropa. Erst in den letzten Jahren wurde Bratkovs Ouevre durch Teilnahme an international renommierten Gruppenausstellungen, darunter auch die Biennalen von Sao Paolo (2002) und Venedig (2003), dazu der Manifesta 5 im portugisischen San Sebastian (2004) einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Der Künstler hat ausserdem weltweit in einer Reihe von Institutionen und Galerien Einzelausstellungen eingerichtet. Um so mehr freut es uns, Sergey Bratkov in einer so umfassenden und speziellen Weise im kunstbunker präsentieren zu können. Sergey Bratkov lebt und arbeitet heute in Moskau.

Eine der zentralen Grundlagen in Bratkovs Werk bildet schon seit seiner Charkover (Studien-)Zeit der sogenannte Dokumentarismus, eine künstlerische Praxis, die von Literaten und Künstlern im Untergrund betrieben wurde. Heute lotet Bratkov vor allem im Medium der Fotografie aber auch mittels Video und in verschiedenen Installationsformen die Differenz zwischen dem Dokumentarischen und der (künstlerischen) Inszenierung aus. Der Zusammenhang von Wirklichkeit und ihrer Konstruktion steht immer wieder im Mittelpunkt der komplexen Werkgruppen des Künstlers.
Diese können etwa die Form der Reportage zitieren oder als poetisch analytische Bilderzählungen konzipiert sein. Er selbst kommentiert dazu: „Das Benehmen eines Fotografen ist immer fragwürdig. Entweder inszeniert er und betrügt, weil Fotografie immer Anspruch auf Objektivität erhebt, oder er beobachtet heimlich und wird dadurch zum Voyeur.“ Damit steht aber auch der Standort eines jeden Betrachters wieder und wieder zur Disposition.

Kuratiert von Ekaterina-Shapiro Obermair und Wolfgang Obermair.

Euen McDonald / Robert Smithson

Euan Macdonald (Jg. 1965, lebt und arbeitet in Los Angeles/CA) lenkt den Blick aufs Beiläufige, Unbemerkte. Mit seiner Videokamera hält er Ephemeres fest, fixiert kleine Alltagsereignisse: etwa einen Ball, der vom Wind sanft bewegt, in einer Pfütze treibt oder die Schattenspiele von Palmen an einem befahrenen Highway. Mit seinen Aufnahmen gelingt es dem Künstler, die Welt im Kleinen darzustellen, sie in filmische Embleme von unmittelbarer Einsichtigkeit zu übersetzen.

Die Ausstellung konfrontiert Arbeiten Macdonalds mit Robert Smithsons Film „The Spiral Jetty“ (16mm, USA/1971). Hier weitet der „Land Art“-Künstler und Vorläufer konzeptueller Praktiken den Fokus vom Skulpturalen, dem nur temporär sichtbaren earthwork „Spiral Jetty“, aus auf das Medium Film (ebenso wie auf Text).

„eclipse + other chance appearances/The Spiral Jetty“ versucht anhand zweier höchst spezifischer künstlerischer Ansätze die Begriffe des Emblems bzw. des Monumentalen in Form eines ephemeren, flüchtigen Aufscheinens zur Diskussion stellen und will generell Methoden von Bedeutungsproduktion befragen.

Kuratiert von Hans-Jürgen Hafner.

plafond blanc / eaux d´artifice – Kenneth Anger

Anger, in den 50er Jahren bekannter amerikanischer Undergroundfilmer, besitzt mittlerweile Kultstatus und ist Gegenstand von Lehre und Forschung (anschließend an die Aufführung im kunstbunker fanden Seminare an den Kunstakademien in Nürnberg und Wien statt).
Der Film konnte in Kooperation mit dem Filmhaus ausfindig gemacht und in den USA geliehen werden.
Die Präsentation erforderte hohen technischen Aufwand, so z.B. Erzeugung und Choreographie eines Bodennebels. Die Präsentationskonzeption beinhaltete den sichtbaren Projektionsvorgang, er „lag offen“, trotzdem waren die Räume in ein mystisches Fluidum mit verunklärten Grenzen transponiert, in einer Art Erweiterung der im Film vorherrschenden Atmosphäre. Die Reaktion der Besucher auf die reale Raumdichte des Bunkers und das Verfließen des sich ständig verändernden Nebelschwaden mit den projizierten Räumen des Films, war „verzaubert“ bis kontemplativ.

Kuratiert von Hermann Gabler und Wolfgang Obermair.