Fred Lonidier

Von 15. November bis 31. Dezember 2017 ist im kunstbunker eine umfangreiche Ausstellung mit Arbeiten des US-amerikanischen Künstlers Fred Lonidier (Jg. 1942) zu sehen. Lonidiers Werk hat seinen Ursprung einerseits in der konzeptuellen Kunst der 1960er Jahre und bezieht seine Thematik andererseits aus der kontinuierlichen – und kritischen – Beschäftigung des Künstlers mit Arbeitsverhältnissen, Formen der Ausbeutung und gewerkschaftlicher Organisation sowie dem Prozess der Globalisierung und den Effekten transnationaler Handelsbeziehungen. Recherche und politischer Aktivismus spielen dabei eine wichtige Rolle. Lonidiers Vorgehen lässt sich gleichwohl weder auf das rein Dokumentarische, Konzeptuelle oder Aktivistische festschreiben. Auf Basis von Fotografien, Texten und Materialien zu historischen Ereignissen sammelt und collagiert Lonidier in oft über Jahre entwickelten Serien, thematische Panels und Schaubilder, die sowohl ästhetisch interpretiert als auch als dezidiert politische Statements gelesen werden können.
Vergleichbar den Ansätzen von Martha Rosler, Allen Sekula oder Mierle Laderman Ukeles ist Fred Lonidiers künstlerisches Werk nicht vom gesellschaftspolitischen Anliegen und sozialen Engagement zu trennen, welches es motiviert hat. Die eingesetzten Verfahren des Dokumentarischen und Journalistischen sind entsprechend mindestens ebenso sehr als künstlerischer ‚Stil‘ zu diskutieren wie als dessen Funktionalisierung als Mittel der Information, Aufklärung und Emanzipation.
Das in über vier Jahrzehnten gewachsene Werk des Künstlers ist in den USA in zahlreichen Museen und Institutionen gezeigt worden, in Europa aber bisher kaum bekannt. Im kunstbunker werden Teile der Serie N.A.F.T.A. (Not A Fair Trade for All), die das titelgebende nordamerikanische Freihandelsabkommen zum Thema hat, gezeigt. Diese Auswahl erfolgte im Dialog mit Lonidier, nicht zuletzt aufgrund der Geschichte Nürnbergs als ehemals wichtiger Industriestandort und den aktuellen Kontroversen um die transatlantischen Freihandelsabkommen CETA und TTIP.
Fred Lonidier wird bei der Eröffnung der Ausstellung anwesend sein. Am Mittwoch, den 15.11. findet im kunstbunker um 17.00 Uhr ein Künstlergespräch mit Fred Lonidier, dem Kunsthistoriker Wolfgang Brauneis und Hans-Jürgen Hafner statt.

Die Ausstellung wurde durch die zumikon-Stiftung und des Deutsch-Amerikanische-Institut finanziell unterstützt.

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Aufzeichnung des Gesprächs von Fred Lonidier mit Wolfgang Brauneis und Hans-Jürgen Hafner

Till Megerle

In seiner Ausstellung The Thug Silhouette im kunstbunker – forum für zeitgenössische Kunst e. V. zeigt Till Megerle (Jg. 1979) ausgewählte Fotografien, einen neuen, gemeinsam mit Steffen Martin realisierten Film und Beispiele aus seinem zeichnerischen Werk.
Damit vereint Megerle technisch und vielleicht auch thematisch unterschiedliche Stränge seiner künstlerischen Arbeit. Gerade die Zeichnungen des Künstlers bilden einen eigenen, ästhetisch eigensinnigen Werkkomplex, der nicht zuletzt durch die souveräne Beherrschung unterschiedlichster zeichnerischer Manieren und Stile auffällt. Die in Kohle, Tusche aber auch mit Bleistift und Kugelschreiber ausgeführten Blätter beziehen sich deutlich auf historische Vorbilder – etwa den Niederländer Pieter Bruegel oder den konservativen Satiriker Wilhelm Busch. Durch eine Art Anreicherung mit zeitgenössischen Motiven und persönlichen Details transformiert Megerle die historischen Sujets jedoch und entlässt sie in eine Art Dazwischen, in dem sie sich einer eindeutigen Zuordnung – sowohl ins heute, wie auch ins Vergangene – permanent entziehen.
Dagegen wirken Megerles Fotografien – kleinformatig abgezogene Bilder, die der Künstler paarweise in Rahmen anordnet und seriell arrangiert oder, wie aktuell in der Ausstellung, in Form einer Diasequenz präsentiert, auf den ersten Blick amateurhaft, wie aus privaten Familienalben entnommen. Auch hier wird aber eine Art psychologischer Unterströmung sichtbar, die das Vertraute bereits durch die genaue Auswahl des Motivs und des Bildausschnitts, mittels Komposition, Farbigkeit und Belichtung ins beinahe Unwirkliche verzerrt. In diesen Fotografien dokumentiert Megerle einerseits sein unmittelbares Umfeld, Familienangehörige etwa, Vorgärten und Hausfassaden oder Freunde. Andererseits bleibt es nicht beim bloßen Aufnehmen, Sammeln und Klassifizieren, wenn der Künstler die Fotografien gegen lineare Leseweisen, antichronologisch, themenübergreifend usw. arrangiert und so Motive, die zuerst so scheinbar normal und bis ins Banale hinein vertraut wirken, zusätzlich regelrecht fiktionalisiert. Konzepte wie Herkunft, Biografie, Klasse oder sogar das Fränkische werden auf diese Art und Weise als konstruiert vorgeführt; der Kamerablick als immer auch durchsetzt von Bild- und Stilkonventionen, beeinflusst nicht zuletzt durch die Effekte der Kulturindustrie und der digitalen Bildverarbeitung und -zirkulation.
An der Grenze zwischen performativer Unmittelbarkeit und filmischer Inszenierung bewegt sich auch der Film, den Megerle zusammen mit Steffen Martin in einer Kleinstadt in Nordbayern realisiert hat. In einer Art surrealem Kammerspiel befinden sich dabei zwei Akteure, eine Frau und ein Mann – vielleicht ein Paar, in einer schwer zu dechiffrierenden, emotional und psychisch äußerst zugespitzten Situation, diese wird – bei aller formalen Präzision und Rhythmisierung – eher lapidar ohne eine eindeutige Auflösung an die Betrachter_innen sozusagen weitergegeben.
Till Megerle hat nach einer Ausbildung zum Fotografen in Nürnberg, Leipzig und Wien Kunst studiert. Er lebt in Wien.
Im Rahmen der Eröffnung wird Alexander Hempel über das Werk Megerles sprechen. Er ist Künstler und Softwareentwickler und lebt in Berlin.

Dokumentation der Ausstellung bei Contemporary Art Daily

Nina Könnemann und Marcus Weber

Die beiden Filme „Unrise“ (2002) und „What’s New“ (2015) von Nina Könnemann (Jg. 1971) belegen das wiederkehrende Interesse der Künstlerin an Phänomenen städtischen Lebens.
Schauplatz des rund dreieinhalbminütigen Films „What’s New“ ist eine vor einer Böschung platzierte Plakatwand, die sich in der viel frequentierten Umgebung eines Berliner U-Bahnhofs befindet. In kurzen, zwischen Close-up und Totale wechselnden Einstellungen hält die Kamera über einen offensichtlich längeren Zeitraum hinweg auf kontinuierlich erneuerte Werbeplakate, die entweder ein Hip Hop-Konzert annoncieren, für ein neues Gartengrill-Modell oder die ‚Marke’ Berlin Werbung machen. Die Kamera ist neutral: sie verzeichnet einerseits das wechselnde Wetter und andererseits verschiedene Gebrauchsformen, die mit der Plakatwand in Verbindung stehen. Hinter dieser verschwinden immer wieder Menschen oder tauchen plötzlich auf, ohne dass klar würde, welchen Verrichtungen sie dabei nachgehen; die Plakate selbst zeigen Spuren von Graffitis oder sind durch Abrisse beschädigt. Den auf den ersten Blick dokumentarischen Charakter des Films durchbrechen schlaglichtartige Cuts auf die realen Objekte und Ereignisse, die über die Plakate beworben werden, wenn die Kamera etwa das Grillgerät abtastet oder einen Blick auf die von der Crowd gefeierte Hip Hop-Performance wirft.
Der rund zehnminütige Film „Unrise“ ist ebenfalls im Grunde dokumentarisch angelegt. Schauplatz ist der, seinerzeit frisch fertig gestellte, unterirdische Regionalbahnhof am Potsdamer Platz zum Zeitpunkt der Love Parade. Die Kamera folgt den durchwegs jungen, oft offenbar erschöpften, oft noch von der Party exaltierten Besucherinnen und Besuchern, die sich zu unbestimmbarer Tages- oder eher Nachtzeit in dem ansonsten verlassenen, einerseits penetrant ‚neu’ aber auch desolat ‚leer’ aussehenden Bahnhof verloren haben und konfrontiert sie teilweise regelrecht. Der dabei stattfindende Austausch zwischen den Akteuren vor und hinter der Kamera geht nicht ohne eine gewisse Aggression seitens der Gefilmten ab, die Kommunikation bleibt erratisch.
Der dokumentarische Gestus von „Unrise“ ist von Live-Reportagen her bekannt und wird zugleich atmosphärisch überlagert und schwingt sogar um ins Genrehafte, wenn der Film – schon durch den Titel vorbereitet – die apokalyptische Tonalität von Zombie-Filmen annimmt oder an die Verwendung von Amateuraufnahmen erinnert, die in Horrormovies authentizitätsstiftend eingesetzt werden.
Neben seiner künstlerischen Arbeit als Maler und Bildhauer engagiert sich Marcus Weber (Jg. 1965) – u. a. in seinen kuratorischen Projekten – für die historische Erforschung nicht nur der ‚hohen’ malerischen Bildkultur, sondern vor allem der populären Bildsprachen des Comics und der Karikatur. Dieses Interesse spiegelt sich in seiner eigenen Malerei deutlich wider.
Die Bilderserie „Adalbertstraße“ umfasst 24 in Öl gemalte Leinwände im Querformat. Der zwischen 2008 und 2010 realisierte und durch fotografische und zeichnerische Recherche vorbereitete Zyklus hat als Sujet und Anlass die gleichnamige Straße im Berliner Stadtteil Kreuzberg, in der Weber sein Atelier hat.