BerlinBunker aktionsgalerie Berlin

Barbara Caveng, lllja Isupov, Bastiaan Maris, Marion Schebesta, Amelia Seymour, Volker Sieben, Nelson Vergara

Performance:
Sebastian Bienieck, Leander Hörmann, lepe B.T. Rubingh, Tafel 7
Musik: Bettini/Orlow  Tanz: Devilangelo
ab 24.00 Uhr DJ Orlow

Kurator: Johann Nowak

 

Heinrich Himmlers Dienstkalendarium der Jahre 1941/42

Die Ausstellung zeigt in Form von Kopien die Seiten des fast vollständig erhaltenen Dienstkalendariums des „Reichsführers-SS und Chefs der deutschen Polizei“, Heinrich Himmler, aus den Jahren 1941/42. Versehen mit den Kommentaren der Historikergruppe, die die Hefte in einem Moskauer Sonderarchiv entdeckte und kürzlich der Öffentlichkeit vorstellte, wird die Bedeutung in ihrem politischen Zusammenhang entschlüsselt. Es ergeben sich neue, wesentliche Einsichten zu geschichtlichen Ereignissen des Dritten Reiches, wie dem Überfall auf die Sowietunion oder die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung.

Peter Klein, ein Mitglied der Forschungsgruppe, wird in einem Vortrag die Resultate der Arbeit am 16. September vorstellen.

Saldo – Der harte Kern

Bernd Glaser, Marcus Kaiser, Wolfgang Knauff, Antje Menikheim, Bettina Meyer, Kruno Stipeseviv

am anfang war saldo eine ausstellung
saldo ist keine person wir sind teilnehmer an saldo
saldo ist nicht modellhaft
saldo versucht den ausstellungsbegriff zu erweitern
saldo interessiert sich für projekte die kunst erzeugen
saldo lädt ein

Die teilnehmenden Kunstler arbeiten nach dem Prinzip der Osmose.
Zellen bilden einen Organismus der bis zu seiner Aufhebung seine
Gewohnheiten andern wird.

Performance, Events & Vorträge 

24.6.99 Kruno Stipesevic
>Erinnerungen und Träume<

26.6.99 Bernd Glaser, Marcus Kaiser
>Erdfresser III<

24.6. – 27.6.99 Günter Maria Wagner
>Chai shop<

9.7.99 Wolfgang Knauff (Heimat.de)
>heimat.de/ CultureBase<

10.7.99 Jan Edler/ Tim Edler (Berlin)
>Kunst & Technik
Augment/ multimind<

Seit der Ausstellung „Saldo“ in Düsseldorf 1997 besteht eine ebenso benannte Formation, zu der fünf mit äußerst heterogenen Medien und Techniken arbeitende Künstlerinnen gehören. Alle fünf haben die Klasse von Klaus Rinke an der Düsseldorfer Akademie durchlaufen.
Mit dem Projekt „Der harte Kern“ lokalisierte und konzentrierte Saldo seine Tätigkeiten zeitweilig in und auf Nürnberg. Projektiert für diesen Zeitraum im Kunstbunker war die Kumulation von Vorgängen der Produktion, Interaktion, Repräsentation, Dokumentation, Kommunikation, die gemeinsam von Künstlern, Gästen und Besuchern ausgeführt und erlebt wurden. Es ereignete sich entgrenzte künstlerische Arbeit, die alles einschloß, was zum Selbstverständnis von Saldo gehört: zeitlich und räumlich parallel verlaufend und auch ineinander verschoben wurden in einigen Räumen des Bunkers Einzelarbeiten gezeigt (eine Installation aus Hammerschlaglack-bearbeiteten Tafelbildern von Kruno Stipesevic [*1965], freistehende Tonskulpturen von Bettina Meyer [*1968], einander überlagernde Projektionen bearbeiteter Diapositive von Bernd Glaser [*1966] und großformatige Wandbilder von Antje Menikheim [*1963]), während in anderen Räumen ein Wohnabschnitt für die Künstler mit Betten und anderem Mobiliar (als Skulptur von Bettina Meyer) eingerichtet war, und in einem weiteren Raum eine mit technischem Equipment (betreut von Wolfgang Knauff [*1964]) ausgestattete Zone bestand. In diesem Bereich konnte über elektronische Speichermedien die Historie der Künstlergruppe eingesehen und die archivierende Tätigkeit saldo-eigener momentaner Produktion als Katalog „Atlas der Tätigkeiten“ in Form einer CD-ROM-Herstellung erlebt werden. Über den Kulturserver „heimat.de“ via Internet mit seinen Örtlichkeiten in Düsseldorf, Berlin und Aachen ist das Projekt auch nach der Nürnberger Aktion mit Künstlern weltweit kommunikativ verbunden. Besucher trugen in den unterirdischen Ort des Kunstbunkers mit ihrer auf einem im Magnetstreifen der Eintrittskarte eingeschriebenen Zahlencode akustische Signale hinein: Der Zahlencode wurde über ein Lesegerät als jeweils spezifische Tonfolge decodiert, aufgezeichnet im täglichen Öffnungszeitraum und über die gesamte Projektdauer ! Der akustische Beitrag wurde als kurzes Signal einzeln hörbar und über den Projektverlauf als akustisches Material übereinandergelagert und zur Komposition zusammengesetzt. Die Künstler lebten zeitweilig im Bunker und arbeiteten an gezeigten Arbeiten. „Das vorhandene Material unterliegt ständiger Veränderung.“ Mit der Einlagerung von zeitlich verlaufenden Beiträgen wie musikalischen Präsentationen, Vorträgen zu kunsttheoretischen Themen und Performances trugen andere Künstler als Gäste zum Projekt bei.

Thomas Rudolph – Maßnahmen

Subversive Horizonte
/ you’re innocent when you dream /

Thoma Rudolphs „Maßnahmen‘ im Kunstbunker Nürnberg

·und er nahm einen von den Steinen der Stätte, tat ihn unter sein Haupt und fegte sich an die­ ser Stätte schlafen. Da träumte ihm, eine Leiter sei auf die Erde gesteift, die mit der Spitze an den Himmel rührte, und die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.·
(Der Traum von Bethef. Genesis 28, 10)

1. Vertikale Träume

Mit seiner irdischen Gebundenheit hat sich der Mensch noch nie gern abge­ funden. Sein Wunsch, den Abstand zwischen Himmel und Erde zu verringern, ist so alt wie die Geschichte des Abendlandes. Während das Alte Testament die darin enthaltene Selbstvergöttlichungsphantasie diskret verschweigt (Jakob genügt es noch, wenn der Himmel auf Erden kommt), werden sich die Baumeister im Lauf der Jahrhunderte konkreter an die Realisierung jener Utopie begeben. Denn: Selbst wird der Mensch. Und: er will hoch hinaus.

Die Zielrichtung verläuft entlang des Dualismus abendländischen Denkens: von unten (gerade-wegs) nach oben. Der Okzident träumt vertikal (wengleich ihn diese Tätigkeit, rein physiologisch betrachtet, in die Horizontale zwingt). Das architektonische Surrogat dieser Sehnsucht ist im ersten Buch Mose bereits angedacht: der Stein, welcher Jakob als Ruhekissen dient, wird zum Grundstein eines Gotteshauses. Die Geburt der Senkrechten aus dem Geist des Monotheismus.

II. Nantes, Nürnberg, New York

Was künftig in den Himmel ragt, ist die irdische Spitze eines Eisbergs, dessen ideelle Sedimente in den Tiefenschichten des Okzidents lagern.

Die Geschlechtertürme von San Gimignano sind frühe profan-patriarchale Varianten der Himmelsleiter. Zunächst bleibt die bauliche Manifestation abendländischen Denkens eher dem Bereich des Sakralen vorbehalten (wehe dir, Babel!). Kirchturmpaare verlängern die Silhouette mittelalterlicher Städte. Parallel zur Bauhöhe geht man ins Detail: der gotische Vertikalismus entwirft eine Unzahl von Pfeilern und Stützen. Die Kathedrale wird zum perfekten Sym­ bol senkrechten Strebens. Ihr säkulares Pendant tritt erst spät auf den Plan.Ende des letzten Jahrhunderts schraubt sich ein Hochhaus als stählerne Lei­ter ins Firmament. Manhattan ist nicht Bethel. Jahn grüßt Jakob.

III. Raumordnung / All-Macht

Wer schläft, sündigt nicht. Jakobs unbewußte Bilder werden für das Abend­ land imaginäres plus architektonisches Allgemeingut. Zugleich sind sie selbst Teil einer Diskursproduktion, welche die Achsen okzidentaler Logik antithe­ tisch formuliert und in ein hierarchisches Verhältnis zueinander setzt.
Oben-unten. Tags-nachts. Geistig-materiell. Nächtliche Visionen fallen bekanntlich nicht unter die Frage von Urheberrecht oder Schuld.
Der tägliche Griff nach den Sternen strukturiert mit der Zeit die Welt.
Die Erdoberfläche wächst ins All. Die Vertikale hat das Sichtbare geordnet: Räume, Dinge und Körper. Entlang ihrer Geraden verlaufen die gesellschaft liehen und politischen Kräfteverhältnisse. Macht gerinnt zu Architektur, wird eine Frage der Raumverteilung. Nutzbare Außenräume formen fortan das Innen. Dem abendländischen Menschen wird sein Platz zugewiesen.Er träumte sich mächtig. Aber der Stein läßt ihm keine Ruhe mehr.

IV. X-Achse: unterirdisch, bewußt

Jetztzeit. Nürnberg. Unter der Erde. Ein Bunker ist eine große flache Schachtel, eher breit als hoch. Nichts Herausragendes. Nichts zum Träumen. Die sich einst in ihm aufhielten, schliefen nicht ruhig. Die ihn heute betreten, spüren, daß nicht alles Gute von oben kommt. Das Denken bewegt sich vor und zurück. Ein Lagerraum für Geschichte. Alles auf einer Etage. Fensterlos zwingt er zur Aussicht nach innen. Historisch und architektonisch unbeabsichtigt entwickelt sich hier eine Karthographie der Horizontalen.
Der Raum provoziert zur Gegenplazierung. Keine zufällige Achsverschiebung sondern gezielte Maßnahmen. Lokale Orthopädien erweitern Horizonte.
Wer an Kathedralen denkt, muß sie dekonstruieren. Wer Leitern errichtet, bringt sie zum Erliegen. Doch wer durch ihre Sprossen blickt, stellt Welt auf den Kopf.

Tine Neumann , Mai 1999

Flusser
Foucault
Mose
von Braun
Waits