Underground
Eine Ausstellung von Chto Delat im kunstbunker Nürnberg
Herbst 2014. Wir sind im Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Fragile Waffenruhe zwischen Palästina und Israel. Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Deutsche Nazivergangenheit… Wir sind unter der Erde, wo es eigentlich dunkel ist. Wir sind im Bunker, in einem Wohnheim des Krieges, Katakomben, unterirdische Kasematten, im Grab, im Labyrinth. Wer lebt in dieser Höhle, wer schläft hier, den wir im Dunkeln nicht sehen können?
Höhle, unter der Erde, nicht ausschließlich eine Wohnung für Kadaver, sondern auch für Geister oder Schatten. Wie Platons Höhle, bewohnt von den Schatten toter Soldaten, Dichtern, Müttern und Schwestern. Aber wer ist das, der das Tor zur siebten Hölle bewacht? Es ist eine seltsame Kreatur, eine, die aus dreien besteht, dem Soldaten, der Frau und dem Tier. Wir nennen sie den Minotaurus. Und es sind Metamorphosen des Minotaurus, die wir in dieser Finsternis erkennen können. Manchmal verwandelt sich die Dreiheit in eine Einheit und wir sehen Theseus, den Krieger, allein, ohne Kopf. Manchmal ist es ein Duo: ein Soldat und seine Braut, die eine Schwester seines Feindes ist. Sinnloser, makabrer und gewalttätiger Tanz tastet die Dunkelheit ab. All das ist nur unsere kollektiven Imagination, ihren Grund aber bildet die Realität.
Die Einzelausstellung von Chto Delat zeigt eine auf diesen Ort bezogene Auswahl von Werken aus unterschiedlichen Schaffensperioden und historischen Kontexten.
Sie fokussiert auf die Vorstellung von Geistern, die in unserer Gegenwart spuken.
Seit ihren Anfängen im Jahr 2003 hat die Gruppe Chto Delat sehr oft mit diesem Thema gearbeitet und in dieser Ausstellung werden zwei der wichtigsten Manifestationen dieser Herangehensweise gezeigt – das „Partisans Songspiel“ und „Baden-Baden Lessons in Dis-consent“.
Diese beiden Filme aktualisieren die Geschichte der jugoslawischen Partisanen und des Sozialistischen Patientenkollektivs in Deutschland und konfrontieren sie mit den Realitäten der Welt von heute.
Die neue und zentrale Arbeit der Ausstellung ist eine 4-Kanal-Videoinstallation.
“The excluded. In a moment of danger” ist eine Coproduktion und wurde speziell für diese Ausstellung konzipiert. Sie erzählt die Geschichte einer Gruppe junger Russen und ihrer Verlorenheit in der ausweglosen Wirklichkeit der heutigen russischen Politik. Und die versuchen zu verstehen, was mit ihnen passiert, mit ihrem Land und der Welt.
Wann hat alles begonnen, so zu entgleisen und warum?
Ein nicht weniger wichtiges Element der Ausstellung ist indes eine Serie von Wandmalereien, die sich wie ein Ariadnefaden durch das ganze Labyrinth des Bunkers spinnen. Es ist dies eine spezifische Methode logischer Vorgehensweise, durch die etwas durchdacht werden kann, Schritte nachvollzogen und Standpunkte eingenommen werden können – und mit der es möglich ist, Schritt für Schritt in einer kontingenten, geordneten Suche eine Reihe von Wahrheiten zu finden. Während sich diese Serie von Wandmalereien von einem Raum zum nächsten entwickelt, nimmt sie die Form geistiger Aufzeichnungen, physischer Markierungen, oder sogar philosophischer Debatten an.
Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Tatsache, dass wir in unseren Realitäten gefangen sind und eine eigenartige Form von Navigation kreieren müssen, um einen Ausweg ins reale Leben finden zu können.
Diese Form der Navigation könnte tatsächlich Kunst sein.
Floorplan/Lageplan mit Werkbeschreibungen (pdf)